INFORMATIONEN ZUM PROGRAMM

Abokonzert4 - TIROLER WEIHNACHTSKONZERT 2023

 

Robert Führer (1807-1861): Weihnachtslied (Graduale) „Mit süßem Freudenschalle“
Karl Pembaur (1876-1939): Weihnachtsmesse op. 18 in G-Dur (gedruckt bei Anton Böhm & Sohn in Augsburg  und Wien, 1915)
Introitus „Puer natus est nobis“ & Kyrie
Gloria
Karl Pembaur: Weihnachtslied „Vor der Krippe“, gedruckt bei Johann Groß (S. A. Reiß) in Innsbruck, ca. 1895
Karl Pembaur: Weihnachtsmesse op. 18 in G-Dur
Graduale „Notum fecit Dominus“
Credo
Offertorium „Tui sunt coeli“
Sanctus – Benedictus
Agnus Dei
Communio „Viderunt omnes fines“
Carl Santner (1819-1885): Weihnachtslied „Jesu in der Krippe“ („Sieh uns hier zu Füßen liegen“), gedruckt bei Johann Groß (S. A. Reiß) in Innsbruck, ca. 1870
Richard Wagner (1813-1883): Siegfried-Idyll, WWV 103 (uraufgeführt am Weihnachtstag, 25. Dezember 1870 in Triebschen)
Franz Xaver Gruber (1787-1863): Stille Nacht, heilige Nacht
 

Zum Programm

Im Mittelpunkt des Tiroler Weihnachtskonzertes 2023 steht eine Messe von Karl Pembaur. Er war der zweite Sohn des Innsbrucker Musikdirektors Josef Pembaur, der das Innsbrucker Musikleben durch sein jahrzehntelanges Wirken nachhaltig prägte und der vor 100 Jahren starb. Zwei Söhne Josef Pembaurs machten international als Musiker Karriere: Josef jun. war ein berühmter Pianist und unterrichtete an den Konservatorien in Leipzig und München, Karl wurde 1900 als Chordirektor und Hoforganist nach Dresden berufen und leitete ab 1913 die Kapellknaben und damit die königlich sächsische Hofkirchenmusik. Als Leiter des Chores der Semperoper arbeitete er eng mit dem ebenfalls aus Österreich stammenden, legendären Generalmusikdirektor Ernst von Schuch (der die Uraufführung vieler Strauss-Opern leitete) zusammen. Zudem war er als Chormeister der Dresdner Liedertafel tätig. Seine musikalische Ausbildung absolvierte Karl Pembaur zunächst am Innsbrucker Musikverein, wo er von seinem Vater unterrichtet wurde. Wie dieser setzte er seine Studien in München fort, wo u. a. Josef Gabriel Rheinberger in Orgel und Komposition zu seinen Lehrern zählte. Im Cellospiel wurde er von dem renommierten Cellisten und Komponisten Josef Werner unterwiesen. Karl Pembaurs kompositorische Tätigkeit war sehr auf das Feld der Musica sacra konzentriert; seine Messen sind gehobene Gebrauchsmusik und zeigen seine gründliche Schulung ebenso wie seine Vertrautheit mit den Werken Bruckners und Wagners. Auch impressionistische Stilelemente sind in seinen Kompositionen auszumachen. Die Nationalsozialisten machten der Dresdner Hofkirchenmusik 1937 durch ein Verbot des Kirchendienstes den Garaus. Ob Karl Pembaur mit dem auf Adolf Hitler gemünzten Männerchor „Dem Führer“ ein politisches Bekenntnis ablegte oder sich anbiedern wollte, ist nicht bekannt – es wäre jedenfalls eine Ironie der Geschichte, wenn er Sympathien für ein Regime gehegt hätte, das der jahrhundertelangen Tradition seines zentralen Wirkungsbereiches, der Dresdner Hofkirchenmusik, ein schmähliches Ende bereitete. Karl Pembaur starb kurz vor Ausbruch des Zweiten Weltkrieges im März 1939.
Die Weihnachtsmesse op. 18 von Karl Pembaur erschien im Kriegsjahr 1915 beim primär auf katholische Kirchenmusik fokussierten Verlag Anton Böhm & Sohn in Augsburg und Wien. Es handelt sich um eine sogenannte Plenariumsmesse: Pembaur vertonte nicht nur das Messordinarium (Kyrie – Gloria – Credo – Sanctus/Benedictus – Agnus Dei), sondern auch Teile des weihnachtlichen Messpropriums, und zwar Introitus, Graduale, Offertorium und Communio der Messe am Weihnachtstag (In Nativitate Domini ad tertiam Missam in die). Die Gestaltung ist knapp, aber wirkungsvoll. Die Harmonik ist immer wieder überraschend, manchmal sehr modern und in entlegene Tonarten führend. Pastoralmotivik setzt Karl Pembaur sehr sparsam ein, dafür zeigt sich im Chorsatz eine Vorliebe für „choralartige“ Unisono-Wirkungen.
Ein Komponist des 19. Jahrhunderts, dessen Werke sich bis weit ins 20. Jahrhundert größter Beliebtheit erfreuten, war Robert Führer. Er war ein Schüler des Prager Domkapellmeisters Jan August Vitásek, wurde in jungen Jahren als Lehrer an die frisch gegründeten Prager Orgelschule und 1839 als Kapellmeister an den Veitsdom berufen. Bald kam er auf die schiefe Bahn – und sollte sie zeitlebens nicht mehr verlassen. Er wurde wegen Trunksucht, Wechselfälschung und Betrug schon 1845 seines Amtes als Domkapellmeister enthoben, trennte sich von seiner Frau und seinen Söhnen und begann ein unstetes Wanderleben, das ihn vor allem nach Bayern und Oberösterreich führte. Obwohl er weiterhin immer wieder mit dem Gesetz in Konflikt kam, fanden seine Werke, die er bei unterschiedlichen Verlagen (auch Groß und Möst in Innsbruck) erscheinen ließ, weite Verbreitung. 1859 wurde er wegen Kinderschänderei verurteilt und verbüßte eine Haftstrafe in der Anstalt Garsten (Oberösterreich). Er verarmte und starb 1861, nicht zuletzt an den Folgen seiner Trunksucht, im Wiener Allgemeinen Krankenhaus. Führers tragisches Leben und seine kriminelle Karriere stehen in auffälligem Gegensatz zu der Popularität seiner kirchenmusikalischen Werke weit über seinen Tod hinaus. In manchen Stücken kommt die gediegene Ausbildung des Vielschreibers zum Tragen, manchmal aber wirken die Kompositionen schnell niedergeschrieben und wenig substanzvoll. Im Weihnachtslied „Mit süßem Freudenschalle“ dominiert der pastorale Ton mit wiegendem Dreierrhythmus, vorherrschenden Terzen und Sexten und gekonntem Einsatz der Bläserfarben, in diesem Fall des Klarinettenpaares.
Als Robert Führer in Garsten seine Haftstrafe verbüßte, konnte er sich weiter seiner Kompositionstätigkeit widmen, weil der Direktor der Haftanstalt ein ausgewiesener Musikfreund und selber Komponist war, nämlich Carl Santner. Der Salzburger war Schüler von Joachim Fuetsch, der seinerseits noch bei Leopold Mozart und Michael Haydn studiert hatte. Als Beamter leitete er Gefängnisse, als Komponist widmete er sich der katholischen Kirchenmusik – und vertiefte seine Kompositionsstudien beim Gefängnis-Insassen Robert Führer. 1870 ging er wieder zurück nach Salzburg und erwarb sich als Chorregent im Stift St. Peter, als Chorleiter im Stift St. Peter, als Sekretär des Mozarteums und als Präses des Cäcilienvereins große Verdienste. Sein einfaches Weihnachtslied „Jesus in der Krippe“ für Solosopran und Chor stammt aus seiner späten Salzburger Zeit, denn auf dem Titelblatt des Druckes, der bei Johann Groß (S. A. Reiß) in Innsbruck erschien, ist Santner bereits als „Präses des Salzburger Cäcilien-Vereins“ tituliert.
Richard Wagners „Siegfried-Idyll“ mag in unserem weihnachtlichen Programm zunächst vielleicht überraschen, aber erstens ist das Stück eine weihnachtliche Gabe des Komponisten an seine Frau und wurde am Weihnachtsmorgen 1870 im Schweizer Triebschen uraufgeführt, zweitens passt der dezidiert „idyllische“ Charakter des Stückes ideal zu Weihnachten. Der 25. Dezember war Cosima Wagners Geburtstag; Richard widmete ihr das Stück zu diesem Anlass, aber auch zur Erinnerung an die Geburt des ersten Sohnes Siegfried – daher der Name der Komposition. Zugleich verband Wagner die Komposition durch motivische Bezugnahmen mit seinem Musikdrama „Siegfried“ aus der Ring-Tetralogie.
„Stille Nacht“ erklang zum ersten Mal bei der Christmette 1818 in der Pfarrkirche St. Nikola in Oberndorf bei Salzburg. Das Lied, eine Koproduktion des Hilfspfarrers Joseph Mohr (Text) und des Schullehrers und Organisten Franz Xaver Gruber (Melodie), fand weltweite Verbreitung und gilt heute als das Weihnachtslied schlechthin. Auch Tiroler, namentlich einige Zillertaler Nationalsänger-Truppen wie die Geschwister Strasser aus Hippach und die Familie Rainer aus Fügen, waren an der Verbreitung des schlichten Weihnachtsliedes wesentlich beteiligt. Die Geschichte der Verbreitung des Liedes wurde im Lauf der Zeit von Legenden überformt, sie bot den Stoff für Romane und Filme. Wie dem auch sei: Das Lied ist zum unverzichtbaren klanglichen Emblem für Weihnachten geworden und übertrifft alle anderen festbezogenen Lieder bei weitem an Popularität.
Franz Gratl

 

 

 

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